Highlights aus der Wissenschaft und Forschung (Q2/2023)

Quartalsbericht des TraWeBa-Projekts

Die Forschungslandschaft zum Thema Lithium-Ionen-Batterien ist im ständigen Wandel und entwickelt sich stetig weiter. Im folgenden Quartalsbericht wird ein Einblick in aktuellen Forschungsthemen, neue Materialentwicklungen und alternative Zellkonzepte für die Technologieschwerpunkte Batteriechemie, Batterieproduktion & Digitalisierung und Batterierecycling gegeben.

Batteriechemie

Für Lithium-Ionen-Batterien existieren trotz des breiten Einsatzes und der jahrelangen Erforschung immer noch technologische Herausforderungen wie der zeitbedingte Leistungsverlust. Vor allem bei der Anwendung von aprotischen Lösungsmitteln als Elektrolytbestandteil sind noch viele Fragen bezüglich der Ausbildung bzw. Auswirkung auf die Passivierungsschicht auf Anodenseite (solid electrolyte interface – SEI) offen.[1]

In einer experimentellen und theoretischen Studie zeigen Martins et al. neue Erkenntnisse über die Elektrochemie von Ethylencarbonat (EC), indem die elektrokatalytische Natur der EC-, HF- und Wasser-Elektroreduktion an allen Grenzflächen dargestellt und die katalytische Rolle von Wasser bei der EC-Elektroreduktion beschrieben wird. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Elektroreduktionen mit den chemischen Reaktionen an der Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt oder im Elektrolytgemisch in einem geschlossenen Kreislauf verbunden sind. Somit hängt die Zusammensetzung der SEI Passivierungsschicht in erster Linie vom Gleichgewicht zwischen der (Elektro-)Chemie von EC, Wasser und HF ab.[1]

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 4 – Technologie im Labor validiert
POTENTIALE: mögliche Verbesserung der Langzeitstabilität durch die Ausbildung einer stabilen Passivierungsschicht
HERAUSFORDERUNGEN: Übertragbarkeit auf weitere Elektrolytgemische mit anderen Lösungsmitteln bzw. Leitsalzadditiven

Polymerelektrolyte sind eine potenzielle Alternative zu Flüssigelektrolyten in Lithium-Ionen-Batterien, da diese eine größere Sicherheit und eine relativ einfache Verarbeitbarkeit bzw. Handhabung bieten. Jedoch verhindern technologische Herausforderungen wie eine geringe Ionenleitfähigkeit und schlechte elektrochemische Stabilität bei erhöhten Potenzialen (> 3,8V) eine breite Anwendung, v.a. in Verbindung mit Hochspannungskathodenmaterialien (z.B. LiNi0,8Co0,1Mn0,1O2 – NCM811).[2]

Die Arbeitsgruppe von Dominik Bresser stellt in einer Studie die Entwicklung eines neuen innovativen single-ionenleitenden Multiblock-Coplymer-Elektrolyten vor, welcher auf Grundlage eines Polyethersulfongerüst einen ionophilen Block mit Trifluormethylgruppen (CF3-) und einen ionophoben Block aufweist. Nachdem die selbststehende Polymermembran mit Ethylenkarbonat (EC), ein häufig genutztes Lösungsmittel in Flüssigelektroylten, infiltriert wurde, konnte eine hohe Ionenleitfähigkeit bei hohen Stromdichten bzw. eine geeignete anodische Stabilität erzieltwerden. Somit war es möglich unter Anwendung von NMC811-Kathoden mit hoher Aktivmaterialmassenbeladung (> 10 mg cm-2) eine stabile elektrochemische Performance (bis zu 5C) in Halbzellen (vs. Li/Li+) zu demonstrieren.[2]

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 4 – Technologie im Labor validiert
POTENTIALE: Weitere Erkenntnis für potentielle Kommerzialisierung von single-ionenleitenden Polymerelektrolyten für Lithium-Batterien
HERAUSFORDERUNGEN: Skalierfähigkeit der Synthese und Übertragbarkeit auf weitere Lithium-Ionen-Technologien

In der Wissenschaft und Industrie wird versucht die spezifische Kapazität des Kathodenaktivmaterials LiNi1-x-yCoxMnyO2 (NCM) durch Erhöhung des Ni-Gehalts zu verbessern. Diese Erhöhung gipfelt im LiNiO2 (LNO) Material, welches die höchste praktische spezifische Kapazität bietet. Allerdings weist das LNO-Material gegenüber dem häufig angewendeten NCM-Material morphologische und strukturelle Instabilitäten auf, weswegen LNO-Einkristalle für die elektrochemische Anwendung benötigt werden.[3]

Die Arbeitsgruppe von Jürgen Janek präsentiert eine Studie zur Synthese von einkristallinem LNO-Pulver für die Anwendung in Festkörperbatterien. Hierbei wurde eine flussbasierte Syntheseroute entwickelt, indem zunächst LNO aus Nickeloxid (NiO) und Lithiumhydroxid (LiOH) hergestellt und anschließend in eine Schmelze aus Lithiumkarbonat (Li2CO3) überführt wird. In der Schmelze kommt es zum LNO-Kristallwachstum bzw. -trennung und darüber hinaus bietet das Verfahren ein hohes chemisches Potenzial von Lithiumoxid (Li2O) -Defektheilung. Anhanddieser Herstellungsmethode können gut getrennte großkörnige LNO-Einkristalle synthetisiert werden. Bei der elektrochemischen Analyse in Festkörperzellen konnten Entladekapazitäten von > 200 mAh g-1 (bei Raumtemperatur) erzielt werden.[3]

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 4 – Technologie im Labor validiert
POTENTIALE: Verzicht auf kritische Rohstoff Kobalt und höhere spezifische Kapazität des Kathodenmaterials
HERAUSFORDERUNGEN: Skalierfähigkeit der LNO-Einkristallsynthese

Zu den Batterietechnologien der nächsten Generation zählen sowohl Lithium-Schwefel-Akkumulatoren als auch Festkörperbatterien. Gegenüber der Lithium-Ionen-Technologie kann mit Hilfe von Schwefel als Aktivmaterial auf den Einsatz von kritischen Elementen wie Kobalt oder Nickel verzichtet werden und unter Verwendung der Festkörperbatterietechnologie können höhere Energiedichten erreicht werden.[4]

Im Forschungsprojekt “MaSSiF – Materialinnovationen für Schwefel-Silizium-Festkörperbatterien” wird von Forschungseinrichtungen (Fraunhofer IWS, Fraunhofer IFAM, Westfälische Wilhelms-Universität Münster) sowie industriellen Herstellern (AMG Lithium AG, Schunk Kohlenstofftechnik GmbH) ein innovatives Zellkonzept aus der Kombination von Schwefel als Kathodenaktivmaterial, Festelektrolyten und Silizium als alternatives Anodenmaterial erforscht. So werden die Vorteile der Festkörperbatterietechnologie – hohe Energiedichte, Stabilität sowie größere Reichweite und Sicherheit für den Einsatz in Elektrofahrzeuge – mit denen von Schwefel und Silizium kombiniert.[4]

Als ein alternatives Anodenmaterial hat Siliziummonoxid (SiO) zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen, da es im Verglich zu reinem Silizium eine geringe Volumenausdehnung (SiO: ∿ 200%, Si: > 300%) und eine verbesserte Energiedichte als herkömmliche, reine Graphitanoden zeigt.[5]

In einer Studie haben Yi et al. neue Erkenntnisse zur Anwendung verschiedener Partikelgrößen in Halbzellen (vs. Li/Li+) und Vollzellen (vs. NMC811) zusammentragen. Hierbei zeigen größere SiO-Partikel in der Anode bessere elektrochemische Ergebnisse in Vollzellaufbau (91,3% Kapazitätsretention nach 400 Zyklen) als in Halbzellen. Dies wird auf den geringeren Elektrolytverbrauch während der Zyklisierung zurückgeführt. Die gewonnenen Halbzellergebnisse wurden kritisch hinterfragt, sodass die Erkenntnisse der Halbzelluntersuchung für die Vorhersage der elektrochemischen Performance in Vollzellen nicht geeignet sind. Somit wird zum einen die Verwendung von größeren SiO-Partikeln für die kommerzielle Anwendung in Lithium-Ionen-Batterien empfohlen und zum anderen konnte ein grundlegender Einblick in die Erforschung von Si-basierten Anoden geschaffen werden.[5]

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 4 – Technologie im Labor validiert
POTENTIALE: Weiteres alternatives Anodenmaterial mit geringer Volumenausdehnung
HERAUSFORDERUNGEN: –

Natrium-Batterien sind eine vielversprechende Post-Lithium-Technologie aufgrund der höheren Verfügbarkeit des Elements Natrium und spielen eine entscheidende Rolle für die Abdeckung der steigenden Nachfrage von stationären Energiespeichersystemen.[6]

Im Rahmen der Förderlinie “Batterie 2020 Transfer“ wird das Projekt “PCEforNB – Polymer Keramik Elektrolyte für Mitteltemperatur Natrium-Batterien“ gefördert, worin die Entwicklung Keramik-Polymer-Verbundelektrolyte erforscht wird. Hierbei bringen die Humboldt-Universität zu Berlin (AG Adelhelm), das Fraunhofer IKTS und das Fraunhofer IAPihre materialwissenschaftliche, elektrochemische und verfahrenstechnische Expertise zusammen, um hoch leitfähige keramische Elektrolyt- bzw. Aktivmaterialpartikel in eine stabile sowie leitfähigen Polymermatrix integrieren und in Batterien charakterisieren zu können.[6]

Batterieproduktion & Digitalisierung:

Aktuelle Trends sowie Fokusthemen zur Forschung aus dem öffentlichen F&E-Sektor bzgl. der Batteriezellfertigung konnten durch Analyse aktueller Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften (veröffentlicht in 2023) sowie Präsentationen und Posterbeiträge auf kürzlich stattgefundenen Fachkonferenzen der Batterieforschung aufgenommen werden.

Die vier Kernthemen, in welchen sich insbesondere produktionsbezogene Forschungsarbeiten konzentrierten, waren der Einsatz von (1) Data Science, Digitalisierungstechnologien und künstlicher Intelligenz zur Prozessoptimierung in der Batteriezellfertigung; (2) die Qualitätsoptimierung der Fertigungsprozesse bzw. Ausschussreduktion durch Einsatz fortgeschrittener Prüftechnologien und -strategien; (3) ausgewählte Prozessinnovationen und deren Skalierung; sowie Untersuchungen zur strategischen, (4) Kostenstruktur- und -sensitivitätsanalytik sowie entsprechenden Optimierungsansätzen.

(1) Einsatz von Data Science, Digitalisierungstechnologien und künstlicher Intelligenz zur Prozessoptimierung in der Batteriezellfertigung:

In den letzten fünf Jahren haben sich Ansätze des maschinellen Lernens als sehr vielversprechend für das Verständnis und die Optimierung von Batterieproduktionsprozessen erwiesen. Auf der Grundlage einer systematischen Mapping-Studie werden in dieser umfassenden Übersichtsarbeit die modernsten Anwendungen des maschinellen Lernens im Bereich der Lithium-Ionen-Batteriezellenproduktion detailliert beschrieben und die grundlegenden Aspekte wie Produkt- und Prozessparameter sowie die verwendeten Algorithmen beleuchtet.[7] Die Anwendung von 3D-aufgelösten physikalischen Modellen im Hochdurchsatzverfahren zur Optimierung der Elektrodeneigenschaften ist aufgrund der hohen Rechenkosten begrenzt. Dieses Problem wird durch innovative Ansätze angegangen, die durch maschinelles Lernen (ML)-gestützte Pipelines für die multikriterielle Optimierung von Eigenschaften und ihrer Herstellungsprozesse unterstützt werden.[8] Die Qualität von Prozessvorhersagen wurde in Studien zur Arbeit an Herausforderungen der Batteriezellfertigung verbessert.[9] Konkret wurden kritische Parameter zu prozessübergreifenden Abhängigkeiten identifiziert. Angewandte Modelle der KI und des maschinellen Lernens sind in der Lage Vorhersagen zu Qualität zu machen und Empfehlungen zur Reduzierung von Ausschuss zu geben. Dadurch können Prozesse künftig kostengünstiger und nachhaltiger betrieben werden. Ausblicke im Rahmen von Reviewstudien auf die Anwendungspotentiale von Digitalisierungstechnologien für das Feld der Batteriezellfertigung zeigen einen tieferen Erkenntnisgewinn zu Inneffizienzen der Zellfertigung, Testprozedere und Anwendung auf.[10] KI- und ML-Ansätze können zu präziseren Datenauswertungen beitragen und bessere Vorhersagen und Handlungsempfehlungen liefern.

(2)Qualitätsoptimierung der Fertigungsprozesse bzw. Ausschussreduktion durch Einsatz fortgeschrittener Prüftechnologien und -strategien:

Aktuelle Forschungsbedarfe für die Anwendung zerstörungsfreier Prüftechnologien (NDE) zur Qualitätskontrolle in der Batteriezellfertigung ergeben sich primär aus der gleichzeitigen Erfüllung der Anforderungen extrem schneller Zykluszeiten, kleinen geometrischen Abmessungen und Handling von leitfähigen Materialien.[11] Für sich genommen können die Anforderungen, die sich aus vielen dieser Einschränkungen ergeben, mit bestehenden Technologien erfüllt werden. In ihrer Gesamtheit stellen sie jedoch eine Herausforderung für herkömmliche NDE-Technologien dar. Auch die Anwendung neuartiger Methoden zur spezifischen Fehlererkennung bei ausgewählten Produktionsschritten, wie der Formierung, waren Arbeitspunkte öffentlicher F&E-Arbeiten.[12] Konkret wurden gleichzeitige Charakterisierungen mehrerer Lithium-Ionen-Zellen im Rahmen der Zellproduktion durch Multizellen-Charakterisierungsmethode vorgestellt. Fremdkörperdefekte, die während des Herstellungsprozesses von Lithium-Ionen-Batterien entstehen, sind einer der Hauptgründe für das thermische Durchgehen der Batterie. F&E-Arbeiten befassten sich daher mit dem Gewinnen eines tiefergehenden Verständnisses zur Detektion von Fremdpartikeln in Zellen.[13] Dazu wurden gezielt Fremdpartikel in Batterien auf einer realen Batterie-Pilotproduktionslinie eingebracht und detektiert. Weiteres aus verstärkter Datenanalytik gewonnenes Verständnis über Zwischenschritte entlang der Fertigungskette der Batteriezellfertigung kann, nach ergänzender elektrochemischer Validierung, Mehrwerte in Kostenreduktion und Durchsatzerhöhung liefern.[14] Neue Instrumente (z.B. Hioki Widerstandsmessung) und die Anwendung mathematischer Techniken (z.B. Spatial Autocorrelation) können dabei weitere Erkenntnisse liefern.

(3) Prozessinnovationen und deren Skalierung:

Die Entwicklung eines alternativen Rolle-zu-Rolle-Elektroabscheidungs- undTransferdrucksystems für die kontinuierliche Prälithiierung von LIB-Anoden wurde in F&E-Arbeiten durchgeführt.[15] Durch Kalandrieren von Rolle zu Rolle konnte gezeigt werden, dass vorgefertigte Anoden vollständig im Transferdruckverfahren auf elektrolytisch abgeschiedenes Lithiummetall aufgebracht werden können. Andere Arbeiten fokussierten bereits auf die Prozessierung von Next-Gen Materialien durch Prälithiierungsprozesse.[16] So konnte durch die Anwendung von Prälithiierungsmethoden die Prozessierung von Voll-Siliziumanoden bei einer stabilen Kapazität von über 150 Zyklen gezeigt werden. Neben den Prozesstechnologien zur Prälithiierung wurden kürzlich außerdem innovative Prozesse zur Oberflächenbeschichtung von Partikeln und deren Verarbeitung zur Elektrodenfertigung vorgestellt.[17]

(4) Strategische Kostenstruktur und Sensitivitätsanalytik sowie entsprechendeOptimierungsansätze:

Reviewartige Studien haben durch problemzentrierte Analytik der Zellfertigung zielgerichtete Vorschläge zur Lösungsfindung vorgestellt.[10] So werden 1.) das Hochgeschwindigkeits-Stacking in der Zellassemblierung zur Überwindung von Bottlenecks in derFertigungskette, 2.) die Trockenbeschichtung zur Reduktion des Energiebedarfs in der Elektrodenfertigung und 3.) die Reduzierung des Energiebedarfs im Betrieb von Trockenräumen und in der Zellformierung als besonders dringlich hervorgehoben. Weitere Arbeiten befassten sich mit der Entwicklung von kostenanalytischen Werkzeugen zur präziseren Modellierung von prozessspezifischen Einzelschritten[18] und nutzten OEE und TCO Analysen zur Gewinnung von Erkenntnissen über Kostenausprägungen ausgewählter Prozesse entlang der Fertigungskette[9]. Der Bedarf technologische Entscheidungen strukturiert treffen zu können wurde auch im Anwendungsfeld der Batteriezellfertigung erläutert und anhand von F&E-Arbeiten vertieft. So befassten sich Arbeiten zur Methodenentwicklung einer strukturierten Technologiebewertung als strategische Entscheidungshilfe.[19]

Batterierecycling

Weiterhin wird stark an der Effektivität und Effizienz von Recyclingverfahren zur (Rück)-Gewinnung von Batteriematerialien und Rohstoffe gearbeitet, insbesondere zur Trennung von Aktivmaterialien und deren Rückführung als Rohstoffe in den Kreislauf. •Eine kooperative Studie von Forschung und Industrie zur Trennung von Mangan von Kobalt und Nickel und der Gewinnung von Mangan für den Batteriematerialkreislauf setzt auf ein hydrometallurgisches Verfahren unter Lösungsmittelextraktion. Dabei wurde Mangan ausdem Sickerwasser, das bei der sauren Auslaugung von LIBs mit Salzsäure anfällt, gewonnen. Die Effizienz lag für Lithium bei 100%, bei Mangan, Kobalt und Nickel bei 90%. Ineinem weiteren Schritt wurden die Verunreinigungen näher betrachtet, was insbesondere Aluminium, Kupfer und Kobalt bei der Manganauslaugung war. Mit einer Manganchlorid-Wäsche konnte daraus Manganoxid mit einem Reinheitsgrad von 99,5% gewonnen werden, das in der Batteriewertschöpfungskette wiederverwendet werden könnte. [20]

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 4 – Technologie im Labor validiert
POTENTIALE: Hohe Reinheitsgrade von rückgewonnenem Manganoxid würde dessen erneute Verwendung für die Zellproduktion erlauben
HERAUSFORDERUNGEN: Skalierung des Laborprozesses auf Industriemaßstab, derzeit hohe Produktionskosten

Die automatisierte Demontage von EoL-Traktionsbatterien ist aktuell ein Schwerpunkt in Forschung und Industrie, um Batterierecycling wirtschaftlich und großvolumig umsetzen zu können. Dabei stellt die sehr heterogene Varianz des Designs von Batteriemodulen und Packs eine große Herausforderung dar, manuelle Handhabung durch automatisierte Lösungen für eine wirtschaftlich effiziente Vorbehandlung zu ersetzen.

Im April endete das Forschungsprojekt DeMoBat mit 12 Projektpartnern aus Forschung und Industrie.[21] Anhand eines Prototypen wurden Handlungsempfehlungen für ein recyclingfreudiges Design von Antriebsbatterien entwickelt und mittels unterschiedlicher Technologien die Handhabung von EoL Batterien untersucht.[22] Die breite Perspektive reichte von der SoH Testung der Zellen, über roboterbasierte Prozesse mit neu entwickelten Werkzeugen und der automatisierten Demontage bis hin zu einem zerstörungsfreien Demontagesystem. Ziel war auch die direkte Wiedergewinnung von Schwarzmasse aus der Elektrodenbeschichtung der Trägerfolien. Dies konnte mit einem effizienten und treibhausgasarmen, wasserbasierten Prozess mittels Hochdruckwasserstrahl demonstriert werden. Der Vorteil dieser Prozessführung ist ein deutlich verringerter CO2-Fußabdruck von Rezyklaten und kann damit Einfluss auf die Nachhaltigkeit von zukünftigen Batterien nehmen. Insgesamt verdeutlicht das Forschungsprojekt den Bedarf einer interdisziplinären Zusammenarbeit, um Antriebsbatterien in eine ökonomische und ökologische Kreislaufführung einzubringen.

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 6-7 – Demonstration von acht Systemprototypen und einer Prozesssequenz in der Betriebsumgebung
VORTEILE: Verzicht auf Lösungsmittel (wasserbasierte Prozesse)
NACHTEILE: Noch nicht auf unterschiedliche Batterietypen anwendbar
POTENTIALE: Wettbewerbsvorteil für deutsche Industrie bei Entwicklung von Standards für ein Batteriedesign for disassembly und entsprechenden Prozessketten
HERAUSFORDERUNGEN: Verschiedene Batterietypen von unterschiedlichen Automobilmarken könnten den automatisierten Auseinanderbau erschweren

Forschende der Hochschule Münster und der RWTH Aachen zeigen einen Ansatz, wie trotz der Vielfältigkeit von Pack-Design und Montagetechniken an der Batterie eine automatisierte Demontage von EoL-Traktionsbatterien möglich ist. Die Grundidee ist ein Etikettierungssystem, das die relevanten Daten des Batteriepacks als Information für die automatisierte Demontagelinie enthält. Das etikettierte Batteriepack wird dann durch eine bildverarbeitende Prozesspipeline geführt, um z.B. Werkzeuge oder Roboter-Greifer zielgerichtet auszurichten. Zusätzlich können sensorbasierte Sortiertechnologien weitere Komponenten wie z.B. das Modulgehäuse untersuchen. Da die Gehäuse i.d.R. von unterschiedlichen Herstellern und aus Verbundwerkstoffen bestehen, ist eine Sortierung und Vorbehandlung notwendig. An einem Demonstrator wurde das automatisierte Greifen erfolgreich demonstriert.[23] Jedoch muss die Robustheit des Prozesses noch an weiteren Beispielen evaluiert und insgesamt verbessert werden.

Anders als bei der Vielzahl an Materialkompositionen in der Kathode (z.B. NMC, LFP) ist Graphit das dominierende Material für die Anode und stellt mengenmäßig den größten Anteil in einer Lithium-Ionen-Batterie dar. [24] Gleichwohl der Anteil an Silizium durch Si-Gr oder SiOx als Anodenmaterial steigt, braucht es auch zukünftig große Mengen Graphit für die Batterieindustrie, weshalb das Recycling von Graphit zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Natürliches Graphit steht heute bereits auf der EU-Liste für potentiell kritische Rohstoffe, ist jedoch auch immer noch aufgrund eines günstigen Preises ökonomisch eher unattraktiv zu recyceln oder aufgrund von Alterungsprozessen nach der Erstnutzung nur bedingt wiederzuverwenden. Forschende der Technischen Universität Braunschweig haben dazu in einem Review das Graphit-Recycling im Detail untersucht. [25] Für eine Maximierung der Graphit-Ausbeute aus dem Recycling (und hohe Qualität) ist es wichtig, andere Zellkomponenten vorher zu separieren. Um das Graphit wiederzugewinnen und aufzubereiten, kommen aktuell zusammengefasst drei unterschiedliche Verfahren in Frage:

  • Auslösen der Graphitelektrode mit Säuren oder Basen
  • Thermische Behandlung für die Re-Graphitisierung unter sehr hohen Temperaturen
  • Hybrides Vorgehen mit einer niedrigen temperierten thermischen Behandlung und einer anschließend chemischen Behandlung

Das wiedergewonnene Graphit kann je nach Reinheitsgrad auch in andere Produktkreisläufe einfließen (z.B. Sensoren, Superkondensatoren mit weniger strengen Qualitätsanforderungen) oder bei sehr hoher Qualität wieder als Rohstoff für die Batterieproduktion zur Verfügung stehen. Insgesamt müssen die Recyclingprozesse jedoch insbesondere für die Batterieindustrie gfür den großflächig industriellen Einsatz weiter optimiert werden.

POTENTIALE: Das wiedergewonnene Graphit kann je nach Reinheitsgrad auch in andere Produktkreisläufe einfließen (z.B. Sensoren, Superkondensatoren mit weniger strengen Qualitätsanforderungen) oder bei sehr hoher Qualität als Rohstoff für die Batterieproduktion zur Verfügung stehen.
HERAUSFORDERUNGEN: Die Skalierung und Optimierung von Recyclingprozessen insbesondere für den großflächig industriellen Einsatz in die Batterieindustrie

Vanderbruggen et al. haben drei verschiedene Prozessrouten (mechanische, thermomechanische und elektrohydraulische Fragmentierung) zur Rückgewinnung von Lithium Metal-Oxiden an der Kathode und Graphit an der Anode untersucht. Sie werden als vorgelagertes Verfahren für die weitere Bearbeitung durch froth flotation für die stofflichen Trennung diskutiert und wurden dahingehend auf ihre Einsatzfähigkeit analysiert. Die Schaumflotation ist ein physikalisch-chemisches Trennverfahren für Feststoffe und basiert auf der unterschiedlichen Oberflächenbenetzbarkeit der Partikel – so können z.B. Graphit-Partikel in der Flotationszelle durch ihre hydrophobe Eigenschaft nach oben getragen und so von LMO (hydrophile Eigenschaft) separiert werden.[26] Von den drei Verfahren wies die thermomechanische Schwarzmasse aufgrund der Entfernung des Bindemittels die höchste Flotationsselektivität auf, was zu einer Produktausbeute von 94,4 % Graphit im Überlauf und 89,4 % LMOs im Unterlaufprodukt führte. Im mechanischen und elektrohydraulischen Verfahren stellt der Binder für die Freisetzung von Aktivmaterialien eine Herausforderung dar. Denn ohne thermische Auflösung des Binders kommt es zu heterogenen Agglomeraten (Materialklumpen aus unterschiedlicher stofflicher Zusammensetzung), was letztlich hinderlich für das Flotationsverfahren ist. [27]

EINORDNUNG: Technology Readiness Level 3 – Experimenteller Beweis des Konzepts
VORTEILE: Nutzung des etablierten Verfahrens der Schaumflotation zur verbesserten Rohstoffgewinnung NACHTEILE: Al und Cu Unreinheiten im Vergleich zu mechanischen und thermomechanischen Verfahren, heterogene Agglomerate möglich sobald nicht mehr nass gearbeitet wird
POTENTIALE: Direktrecycling von LMOs und Graphit aufgrund Beibehaltung der Morphologie
HERAUSFORDERUNGEN: Der Binder kann im mechanischen und elektrohydraulischen Verfahren die Freisetzung von Aktivmaterialien erschweren

Literatur

[1] M. Martins et al., ACS Catal. 2023, 13, 9289-9301. https://doi.org/10.1021/acscatal.3c01531

[2] X. Dong et al., ACS Energy Letters 2023, 8, 1114-1121. https://doi.org/10.1021/acsenergylett.2c02806

[3] R. Rueß et al., J. Electrochem. Soc. 2023, 170, 020533. https://doi.org/10.1149/1945-7111/acbc4f

[4] M. Foryatte et al., “Schwefel und Silizium als Bausteine für die Feststoffbatterie”, Presseinformation (Nr. 07), 20.04.2023, zu finden unter: https://www.iws.fraunhofer.de/ (letzter Zugriff: 31.07.2023) https://www.iws.fraunhofer.de/de/newsundmedien/presseinformationen/2023/presseinformation_2023-07_massif.html

[5] S. Yi et al., ACS Appl. Mater. Interfaces 2023, 15, 24377–2438. https://doi.org/10.1021/acsami.3c01418

[6] K. Schwarz et al., “Leistungsfähige und sichere Polymer-Keramik-Elektrolyte für die Energiewende “, News, 06.04.2023, zu finden unter: https://www.ikts.fraunhofer.de/ (letzter Zugriff: 31.07.2023) https://www.ikts.fraunhofer.de/de/presse/pressemitteilungen/2023_4_6_n_leistungsfaehige_sichere_polymer-keramik-elektrolyte.html

[7] S. Haghi et al., Batteries & Supercaps 2023, 6, e202300046. https://doi.org/10.1002/batt.202300046

[8] M. Duquesnoy et al., Energy Storage Mater. 2022, 56, 50-61. https://doi.org/10.1016/j.ensm.2022.12.040

[9] W. Li et al. (2023, 21. Juni) “Battery lifetime prediction with machine learning: from laboratory data tofield data” [Vortrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe, Mainz, Deutschland.

[10] W. Li et al. (2023, 21. Juni) “Battery lifetime prediction with machine learning: from laboratory data tofield data” [Vortrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe, Mainz, Deutschland.

[11] M. E. McGovern et al. J. Power Sources 2023, 561, 232742. https://doi.org/10.1016/j.jpowsour.2023.232742

[12] M. Ank et al., J. Energy Storage 2023, 62, 106938. https://doi.org/10.1016/j.est.2023.106938

[13] Y. Pan et al., Energy 2023, 262, 125502. https://doi.org/10.1016/j.energy.2022.125502

[14] A. Barai et al. (2023, 20. Juni) “A Battery Diagnosis and Prognosis System for eVTOL Aircraft Battery Pack”[Vortrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe, Mainz,Deutschland.

[15] C. Yang et al., Nature Energy 2023, 8, 703-713. https://doi.org/10.1038/s41560-023-01272-1

[16] S. Honda et al. (2023, 19.-22. Juni) “Electrochemical Prelithiation of Pure Silicon Anode for Lithium-IonBatteries” [Posterbeitrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe,Mainz, Deutschland.

[17] J. Sun et al. (2023, 19.-22. Juni) “Cathode Powder Surface Coating and Electrode Manufacturing”[Posterbeitrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe, Mainz,Deutschland.

[18] K. Mahin et al. (2023, 19.-22. Juni) “ProZell Cost Model: Advanced Approach for Pricing and OptimizingBattery Cell Production” [Posterbeitrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe, Mainz, Deutschland.

[19] M. Podbreznik et al. (2023, 19.-22. Juni) “Optimizing Technology Decision Making in Battery Cell Manufacturing Through Technology Studies: Establishing a Streamlined and Strategic Framework”[Posterbeitrag]. 13th International Advanced Automotive Battery Conference AABC Europe, Mainz,Deutschland.

[20] N. Vieceli et al., Solvent Extr. Ion Exch. 2023, 41, 205-220. https://doi.org/10.1080/07366299.2023.2165405

[21] K. Röhricht et al., “Neue Technologien für die Demontage von Batterien und Motoren von Elektroautos”,Pressemitteilung May 2023, 22.05.2023, zu finden unter: https://www.ipa.fraunhofer.de/ (letzter Zugriff: 31.07.2023) https://www.ipa.fraunhofer.de/en/press-media/press_releases/new-technologies-for-the-disassembly-of-electric-vehicle-batteries-and-motors.html

[22] J. Fleischer et al., Procedia CIRP 2021, 98, 577-582. https://doi.org/10.1016/j.procir.2021.01.154

[23] M. Zorn et al., Recycling 2022, 7, 48. https://doi.org/10.3390/recycling7040048

[24] International Energy Agency IEA, Global EV Outlook 2023, IEA, Paris, 2023. https://www.iea.org/reports/global-ev-outlook-2023

[25] M. Abdollahifar et al., Adv.Mater. Technol. 2023, 8, 2200368. https://doi.org/10.1002/admt.202200368

[26] CHEMIE.DE, Lumitos AG : “Wenn Batterien zu Schaum werden”, 09.11.2021, zu finden unter: https://www.chemie.de (letzter Zugriff: 31.07.2023) https://www.chemie.de/news/1173439/wenn-batterien-zu-schaum-werden.html

[27] A. Vanderbruggen et al., ACS EST Engg. 2022, 2, 2130-2141. https://doi.org/10.1021/acsestengg.2c00177

Downloads

Summary Briefing des TraWeBa-Projekts Q2 2023

Mehr

23 Studien aus der Wissenschaft & Forschung – Batterie & AKKU

23 Studien zu Moderne Lithium-Ionen-Batterieproduktion und Recycling: Highlights aus Forschung und Entwicklung. Visualisierung von Batteriechemie, Materialinnovationen, Fehlererkennung in der Zellfertigung, Digitalisierung und nachhaltigem Recycling. Zukunftsorientierte Technologien für die Batteriewirtschaft.

Das TraWeBa Summary Briefing Q4/2024 liefert wertvolle Einblicke in die neuesten Fortschritte der Batterieindustrie. Von innovativen Materialentwicklungen in der Batteriechemie über Digitalisierungslösungen in der Produktion bis hin zu nachhaltigen Recyclingansätzen – dieser Bericht beleuchtet Potenziale und Herausforderungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft teilen ihre Erkenntnisse, um die Zukunft der Batterietechnologie voranzutreiben.

TraWeBa wirkt mit: Rückmeldung zum Batteriepass der EU-Kommission

Webseite der Europäischen Kommission zur öffentlichen Konsultation des Digitalen Produktpasses, mit Fokus auf Dienstleistungen im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie für nachhaltige Produkte

Die EU-Kommission strebt mit der Einführung des digitalen Produktpasses (DPP) ein nachhaltigeres Europa an. Der DPP ermöglicht es, digitale Informationen über die Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Rechtskonformität von Produkten zugänglich zu machen. Im Fokus steht die Rückverfolgbarkeit von Batterien, um verantwortungsvolle Herstellung, effizientes Recycling und Transparenz entlang der Lieferkette zu fördern. TraWeBa beteiligt sich aktiv an der Rückmeldung, um standardisierte Ansätze für eine nachhaltige Batteriewirtschaft zu unterstützen.
👉 Lesen Sie jetzt unsere Rückmeldung zum DPP für Batterien!

Digitaler Produktpass: Erkenntnisse aus dem CIRPASS-Projekt

Dr. José Diez-Rodríguez und Dr. Holger Berg stehen neben einem Roll-up Banner des Wuppertal Instituts, das sich für nachhaltige Entwicklung engagiert.

Im Rahmen des TraWeBa-Projekts hatte Techscout Dr. José Diez-Rodríguez die Gelegenheit, mit Dr. Holger Berg vom Wuppertal Institut und Mitglied des europäischen CIRPASS I-Projekts zu sprechen. In CIRPASS II ist er als Mitglied des Expertengremiums aktiv. In diesem Austausch wurde die Bedeutung und Zukunft des Digitalen Produktpasses (DPP) thematisiert, einem zentralen Werkzeug, um Transparenz und Nachhaltigkeit entlang des gesamten Produktlebenszyklus zu ermöglichen. Insbesondere für die Batteriebranche, in der kritische und wertvolle Materialien wiederverwertet werden sollen, stellt CIRPASS I und das inzwischen gestartete CIRPASS II eine wegweisende Initiative dar.