Interview mit Dr. Jens Katzek – Quo Vadis E-Mobilität in Deutschland?

Warum ruckelt die deutsche E-Mobilität, verschlafen wir gerade eine Trendwende?

Dr. Katzek: Nein, das tun wir nicht! Alle deutschen Automobilunternehmen haben in den vergangen fünf Jahren intensiv an der Erneuerung der Modellpallette gearbeitet und den E-Antrieb perfektioniert. Sie können heute von allen Herstellern und schon fast in allen Modellreihen Hybride und vollelektrische Fahrzeuge kaufen – für mich ganz klar ein Zeichen unserer Stärke.

Aber: Made in Germany ist auf Grund der Bedingungen und des Wohlstandes in Deutschland nicht zu Dumpingpreisen zu haben. Qualität hat ihren Preis. Und wir sehen gerade: Die Kunden sind noch nicht bereit, den Umstieg auf die modernen Antriebe durchgängig mitzutragen. Das hat viele Ursachen, die politisch erkannt und die möglichst schnell angegangen werden müssen.

Sind die schlechten Absatzzahlen für E-Autos aus Ihrer Sicht nur auf die Streichung der Kaufanreize durch die Bundesregierung zurückzuführen oder gibt es da noch andere Gründe?

Dr. Katzek: Die Bundesregierung hat meines Erachtens einen großen Fehler gemacht: Die Androhung von milliardenschweren Strafzahlungen an die Unternehmen hat einen enormen Druck auf die Automobilindustrie ausgeübt, um dem Klimawandel zu begegnen. Das ganze jedoch ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass dafür auch die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Der geforderte radikale Transformationsprozess findet nicht nur in den Konstruktionsbüros, sondern eben auch im gesamten Land und bei den Menschen statt. Das hatte die Bundesregierung so nicht mehr übergreifend im Fokus, denke ich.

E-Autos sind für deren Käufer und Nutzer erst dann attraktiv, wenn sie mindestens gleich gut ankommen, wie bisher die Verbrenner. Ich denke, dass die E-Fahrzeuge schon heute eine weit größere Attraktivität besitzen würden, wenn die Unsicherheiten im Lade-Netz, bei der Stromversorgung und bei den Energiepreisen ausgeräumt wären.

Und: Schon immer galt, dass in Krisenzeiten und Zeiten der Verunsicherung der Menschen, die Kaufzurückhaltung zuerst bei den teuren Gütern erfolgt. Das Auto trifft es immer zuerst. Beim Tourismus sehen wir hier einen ganz anderen Trend und das liegt daran, dass man mit der Investition in ein neues Auto gern ein wenig länger abwartet. Dann aber, wenn die Kaufzurückhaltung zu einer deutlich überalterten Fahrzeugflotte im Markt führt, springt der Markt irgendwann wieder an – plötzlich und mit aller Wucht. Genau dann gewinnt der, der mit Kapazitäten, überzeugenden Produkten und mit einer exzellenten Kostenbilanz für den Kunden auf die Lebenszeit eines Autos gerechnet, überzeugt.

Kaufanreize und vor allem klar kalkulierbare Energiekosten können hier sehr wohl unterstützen und den Transformationsprozess beschleunigen – zumindest in der Übergangsphase. Hier sehe ich einen sofort machbaren Schritt, dem aktuellen Trend zur Kaufzurückhaltung zu begegnen.

Wie bewertet der ACOD die Entscheidungen bei VW, im Pionierwerk der E-Mobilität in Zwickau, die Fahrzeugproduktion mittelfristig zu halbieren und stattdessen auf den Recyclingprozess zu setzen?

Dr. Katzek: Wenngleich der Erhalt des Standortes Zwickau natürlich extrem wichtig und damit ein Erfolg der Debatten in den letzten Monaten ist, ist die Verlagerung der Volkswagen ID.-Modelle aus Sachsen ein herber Schlag für den sächsischen Automobilbau schlechthin. Zwickau als Wiege der Marke Audi wird mit den beiden Q4 Modellen und deren Nachfolgern, die über 100-jährige Automobilgeschichte Sachsens weiterschreiben.

Gleichzeitig ist die Entscheidung, das Thema Kreislaufwirtschaft und Batterierecycling nach vorn zu bringen, eine, die für den Erhalt von Arbeitsplätzen neben der Produktion, sehr wichtig ist. So werte ich das durchaus auch als ein positives Signal mit Zukunftseffekt. Aber, das ist sicher kein Kurzfristeffekt, sondern es ist eine langfristige Chance. Rohstoffe werden immer knapper und teurer. Recycling und gezielte Verwertung werden daher gerade in Europa, wo kaum Rohstoffe vorhanden sind, immer bedeutsamer. Ich halte das für eine gute Basis als Ergänzung.

Die generelle Reduzierung der Produktionskapazitäten ist für die Zulieferindustrie bzw. den Maschinenbau in Sachsen, die Ausrüster und die Dienstleister ein deutlich größeres Problem. Hier wird es spürbar negative Beschäftigungseffekte und auch Standortschließungen geben. Davon müssen wir heute leider ausgehen.

Muss die Politik hier nicht sofort handeln?

Dr. Katzek: Ich bin fest davon überzeugt, dass es schon bald politische Signale geben wird und muss, um die Attraktivität für E-Fahrzeuge wieder zu verbessern. Dann wird der Markt wieder anspringen und auch die heute vakanten Kapazitäten beispielsweise bei Volkswagen in Sachsen werden wieder gefragt sein. Ob und wann das sein wird, bleibt aber auch für mich aktuell unkalkulierbar.

Vor wenigen Tagen wurde Donald Trump als US-Präsident vereidigt. Importzölle und eine Veränderung der internationalen Märkte sind zu erwarten. Welche Auswirkungen sehen Sie mittelfristig für den Absatzmarkt Deutschland und Europa?

Dr. Katzek: Der Wettbewerb wird sich insgesamt auf dem Automobilmarkt deutlich verschärfen. Das trifft auch besonders Europa. Wir brauchen den exorbitanten Beschäftigungseffekt der Automobilbranche in Deutschland und Europe weiter – nur so schaffen wir Wohlstand und damit die Kaufkraft, die wir brauchen.

Der Automobilbau als Schlüsselindustrie eines Landes braucht technische und organisatorische Wettbewerbsvorteile, die die Kostennachteile wieder ausgleichen. Hier sind politische Entscheidungen auf Europäischer Basis erforderlich und zwar sehr schnell. Wir müssen die Zukunftstechnologien viel stärker fördern, die Forschung und Entwicklung stärken und weiter auf die exzellente Fachkräfte-Expertise unserer Menschen setzen.

Sie gelten als exzellenter Kenner der ostdeutschen Automobilbranche und sind als präsenter Netzwerker und politische Berater unterwegs. Wo liegen nach Ihrer Ansicht die fünf wichtigsten kurzfristigen Chancen und zwingenden Themen für den Automobilbau in Deutschland und für die europäische Batteriebranche im Hinblick auf unser Projekt:

Dr. Katzek: Das ist nur schwer auf wenige Punkte zu reduzieren, aber wenn wir die folgenden fünf Schwerpunkte rasch angehen, können wir viel bewegen:

  1. Wir brauchen eine zuverlässige, starke und auf die Wirtschaft orientiert Politik, die auch, zusammen mit anderen Ländern, Signale Richtung Bundes- und Europapolitik gibt.
  2. Bei allen politischen Entscheidungen muss das Interesse der Endverbraucher wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt werden, die am Ende eine Kaufentscheidung treffen. Dies ist unabdingbar, um die Elektromobilität attraktiver zu machen.
  3. Neben dem Aufbau einer attraktiven Ladeinfrastruktur und der Verfügbarkeit regenerativer Energie zum Laden ist ein Strompreis notwendig, der den Betrieb von Elektroautos ausreichend kostengünstiger macht als den von Verbrenner-Autos.
  4. Wir brauchen zwingend eine viel stärker auf die Zukunftsthemen orientierte Förderpolitik mit schnellen unbürokratischen und gerechten Entscheidungen. TraWeBa ist für mich hier absolut im Fokus und muss weitergeführt werden, und zwar mit deutlich mehr Geld und Kapazitäten. Die Batterie ist und bleibt der Know-how-Träger der Automobile der Zukunft.
  5. Zusammenfassend brauchen wir unkomplizierte und bürokratiearme Investitionsförderungen und damit ein investorenfreundliches Klima.

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