Eng und agil vernetzt hat die Batterieproduktion in Deutschland mehr Chancen als Risken – Das Interview mit Simon Voß

In unserer Interviewreihe steht für April 25 die Frage im Mittelpunkt: Bringen uns Netzwerke tatsächlich etwas für die Zukunft der Batterieökosysteme in Deutschland?

Diesmal haben wir den Gründer und CEO von BETTERE, Simon Voß, dazu angesprochen. Er trägt als Ingenieur, Berater und Innovationsdiplomat dazu bei, die technologischen Grenzen der Batterietechnologie und der E-Mobilität immer wieder neu auszuloten und zu erweitern. Seine Expertise für moderne Netzwerkarbeit und sein Verständnis für die effektive und vor allem operative Arbeit in Netzwerken ist ermutigend.

Herr Voß, Sie waren Wissenschaftler am PEM-Institut der RWTH Aachen und haben dort an Anlagen zur Batterieproduktion geforscht und entwickelt. Sie waren dort Geschäftsführer des Labors für Elektromobilität (eLab) und der Geschäftsstelle Elektromobilität. Letztes Jahr haben Sie Ihr eigenes Unternehmen, die BETTERE GmbH, gegründet, mit der BETTERE EXPEDITION eine Kampagne und ein Expertennetzwerk für die europäische Batterieindustrie initiiert. Ihr Engagement zum Thema E-Mobilität ist beeindruckend. Wie schätzen Sie die Situation für die Batterieproduktion bzw. das Batterieökosystem in Deutschland und Europa ein?

Die Zukunft der Mobilität ist (batterie-) elektrisch. Die Faktenlage ist klar: Die deutsche Automobilbranche genießt international gegenwärtig noch hohes Ansehen und in der Automobilproduktion einen renommierten guten Ruf. Unsere Entwicklungs- und Fertigungskompetenzen in Motoren und Getriebe wie auch in Karossieren gaben uns weltweite Wettbewerbsvorteile. Das ändert sich seit einigen Jahren durch den batteriegetriebenen Technologiewandel.

Der Know-how Träger wird zukünftig die Batterie sein und vom Ökosystem darum bestimmt. Leider haben wir gerade bei den Batterien keine führende Wettbewerbsposition. Vielmehr müssen wir uns erheblich anstrengen, um am Wettbewerb, speziell aus Asien, allen voran China und Korea, dranzubleiben. Es stellt sich nicht die Frage, ob wir das wollen oder können, sondern vielmehr die Frage, was konkret müssen wir tun? Die Batterietechnik und die Batterieproduktion sowie deren gesamte Wertschöpfungskette sind das Fundament unserer Automobilwirtschaft der Zukunft. Wir brauchen deutlich schnellere Prozesse und ein viel offeneres Miteinander, um schnell und effizient zu effektiven Lösungen zu kommen.

Sie sind als beratender Entwicklungsingenieur und Netzwerker breit aufgestellt. Was braucht es aus Ihrer Sicht, um in Deutschland schnell und weiter voranzukommen? Können Netzwerke hier tatsächlich einen beschleunigenden Beitrag leisten?

Die deutsche und europäische Industrie lebt von der Zusammenarbeit. Die Frage ist somit eher, welche Netzwerke brauchen wir? Netzwerke sind nur wertschöpfend, wenn sie die richtigen Informationen und Akteure zur richtigen Zeit auf die richtige Art und Weise zusammenbringen. Nur dann kann man, sinnbildlich gesprochen, ein Netz an Verbindungen aufbauen, welches Entwicklungsprozesse trägt und Innovationen ermöglicht. Im Moment fällt uns zu viel durch das Netz oder es reißt, siehe Northvolt.

Komplexe Themen und Herausforderungen erfordern ebensolche Kompetenzen, um operativ zu handeln und umsetzbare Lösungen zu entwickeln. Wir haben in Deutschland und Europa diese Kompetenz, das durfte ich während meiner Zeit an der RWTH und darf ich nun in meinen eigenen Projekten täglich feststellen. Nur haben wir es noch nicht geschafft, diese Kompetenzen operativ wertschöpfend so zu verknüpfen, dass performante Lösungen entstehen, die Europa zu einem über die Wertschöpfungskette hinweg ernstzunehmenden Player in der globalen Batteriebranche machen. Dazu brauchen wir mehr Vertrauen untereinander.

Wir besitzen ein sehr großes wissenschaftliches Potenzial und verfügen über weltweite Entwicklungs- und Produktionspartnerschaften, speziell bei den OEMs. Wir müssen es schaffen, aus der intra- und internationalen Rivalität herauszukommen und als EIN europäischer Wettbewerber zu denken und zu handeln, ohne die individuellen Unternehmens-Gene aufzugeben. Denn die Diversität ist unsere Stärke. Wenn wir der Welle, die aus Asien gerade auf uns zurollt, entgegentreten wollen, brauchen wir „gemeinsame vertrauensvolle Partnerschaften“ aus deren Zusammenwirken performante Lösungen entstehen.

Da stimmen wir Ihnen mehr als zu. ACOD und TraWeBa vernetzen die Automobilbranche in Ostdeutschland und inzwischen innerhalb die Projektarbeit auch weit darüber hinaus. Wir interagieren mit anderen Netzwerken und nehmen auch politisch Einfluss – zum Nutzen der Netzwerkmitglieder und des Automobilstandortes Deutschland. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aufgaben, die gerade von Netzwerken übernommen werden müssen?

Ganz einfach: Einen unmittelbaren, operativen Mehrwert für alle Stakeholder (Forschung, Industrie, Politik und Gesellschaft) schaffen. Dies bedingt eine neue Kommunikationsform – on demand. Die Zeit der jährlichen Konferenzen als ZENTRALE  Plattform zum Fachaustausch ist damit meiner Meinung nach vorbei. Und auch Lobbyarbeit wird sich im Zuge allgegenwärtiger Informationen und Antworten stark wandeln. Was kommt, sind digitale on-demand Lösungen.

Die KI-gestützte Informationstechnologie bietet uns bereits heute Werkzeuge, die uns direkt alles in Sekundenschnelle an die Hand geben – und das jedem.

Das heißt aber NICHT, dass Konferenzen überflüssig sind. Ihre Bedeutung als Ort des persönlichen Vertrauensaufbaus gewinnt dadurch nur noch mehr an Bedeutung. Großprojekte, wie der Bau einer Batterielinie, erfordern immense persönliche Integrität, Verlässlichkeit und Loyalität für eine gemeinsamen Mission. Es ist eine gemeinsame Mission, das will noch einmal ganz ausdrücklich betonen.

 Am Ende bringt das Vernetzen auch die Aufgabe mit sich, Einfluss zu nehmen auf politische Entscheidungen, auf finanzielle Entscheidungen, auf Fördersysteme und auf Investitionsanreize bis hin zu Marktinstrumenten. Nur muss und wird die Umsetzung dieser Aufgaben künftig anders erfolgen.

 Zum Thema Lobbyarbeit: Sie muss ihrer Definition als Expertise für nachhaltige politische Entscheidungsfindung gerechter werden. Durch fehlende Präsenz für die E-Mobilität geraten Deutschland und Europa gegenwärtig ins Hintertreffen. Ich sehe somit auch für diese Netzwerke einen bevorstehenden Wandel. Das besondere an unserer Branche ist, dass sie gerade erst geschaffen wird. In Kombination mit der Brisanz unserer Lage fordert es Entscheidungsträger auf, von der hohen Frequenz und Informationsdichte KI-gestützter, operativer Fachnetzwerke Gebrauch zu machen. Ich sehe in meiner Arbeit mit Entscheidungsträgern eine stetig wachsende Offenheit.

Sie haben selbst mit dem Aufbau des BETTERE-Netzwerks ein kollaboratives Team unabhängiger, hochkarätiger Experten aufgebaut und so wertvolle Netzwerkerfahrungen gesammelt. Brauchen wir nun eher ein großes Netzwerk oder viele Kleine … oder vielleicht auch viele Große?

Ob groß oder klein: Egal. Wir brauchen EIN Netzwerk. Die Definition des Begriffs drückt es bereits aus. Was ich viel entscheidender finde, ist die Ausprägung des Netzwerks. An welchen Stellen muss es feinmaschiger sein, wo besonders stabil und strapazierfähig und wo können Ressourcen gespart werden, in dem man ein grobmaschigeres Netz aufspannt? Was ich damit sagen möchte ist: Wo braucht es den hochfrequenten operativen Austausch mit einer hohen Dichte an Daten und Informationen, und zu welchen Entscheidungen reichen – wie bisher – monatliche oder gar quartalsweise Austausche? Wobei ich anmerken möchte, dass quartalsweise in unserer Branche eine Ewigkeit ist. Wir haben schließlich für die wirtschaftliche und politische Sicherheit in unserem Land und Europa eine eigenständige Industrie aufzubauen – jetzt!

Vermessen? Ich denke dies ist der einzig richtige Weg in einer Zeit wie dieser.

Wo sehen Sie ganz konkret den Mehrwert für die Netzwerkakteure?

Wir müssen ins Doing kommen. Und so ist dieses Interview für mich eine Einladung für einen Appel: Traut Euch! Ich sehe in meiner Arbeit viele Unternehmen mit unglaublicher Kompetenz. Nur müssen wir uns wieder mehr ins unternehmerische Risiko wagen, Fehler zulassen und durch sie interaktiv wachsen – dann kann Innovation entstehen.

Mit der BETTERE EXPEDITION gehe ich zum Beispiel in dieses Risiko, habe neben meiner fachlichen Arbeit ein elektrisch fahrendes Video Podcast Studio und eine PR-Kampagne aufgebaut und befinde mich für 8 Monate auf einer Expedition durch Europa. Auf der Roadshow diskutiere ich mit den Führungskräften innovativer Organisationen Chancen und Potentiale unserer Branche.

Ich möchte ihre Kernkompetenzen vollständig, first-hand verstehen, ihnen im Podcast eine reputative Bühne geben und vernetze sie mit potentiellen Partnern aus unserem Expertennetzwerk und darüber hinaus. Ob das Projekt aufgeht? Von „Das ist genial!“ bis „Was soll denn der Schwachsinn?“ habe ich schon alles gehört. Innovation ist, sich zu trauen und nach vorne zu gehen. Das müssen wir als deutsche und europäische Industrie mehr denn je verinnerlichen. Denn unsere Lage ist ernst.

Wir haben das Potential, aber nur wenn wir uns vernetzen und operativ effektiv zusammenarbeiten.

Was meinen Sie damit konkret? Welche Handlungsmaxime geben Sie uns mit auf den Weg?

Der liegt ganz klar auf der Hand. Die Akteure können durch diese neuen operativen Netzwerkformen schnell und effektiv Wissen aufgreifen, Kompetenzen ausloten und anbieten, kleinere Einheiten zu größeren sichtbaren Einheiten zusammenschließen und Kontakte knüpfen, um unser hiesiges #european #battery #ecosystem zu erschaffen.

Um international mithalten zu können, müssen Unternehmer und Wissenschaftler dieses Instrument unbedingt erkennen und nutzen. Wer das nicht tut, wird früher oder später im Wettbewerb untergehen.

Wir bedanken uns für das mutige netzwerkbetonte wie spannende Interview und freuen uns Teil dieser Expedition zu sein!

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