Digitaler Produktpass: Erkenntnisse aus dem CIRPASS-Projekt

Im Rahmen des TraWeBa-Projekts hatte Techscout Dr. José Diez-Rodríguez die Gelegenheit, mit Dr. Holger Berg vom Wuppertal Institut und Mitglied des europäischen CIRPASS I-Projekts zu sprechen. In CIRPASS II ist er als Mitglied des Expertengremiums aktiv. In diesem Austausch wurde die Bedeutung und Zukunft des Digitalen Produktpasses (DPP) thematisiert, einem zentralen Werkzeug, um Transparenz und Nachhaltigkeit entlang des gesamten Produktlebenszyklus zu ermöglichen. Insbesondere für die Batteriebranche, in der kritische und wertvolle Materialien wiederverwertet werden sollen, stellt CIRPASS I und das inzwischen gestartete CIRPASS II eine wegweisende Initiative dar. 

 Was ist das CIRPASS-Projekt und warum ist es relevant? 

Das CIRPASS I-Projekt (Circular Product Passport System) war eine von der Europäischen Kommission finanzierte Initiative (Consulting and Support Action), die die Entwicklung eines europäischen Digitalen Produktpasses inhaltlich begleitete und vorbereitende Studien durchführte. Im Zentrum steht u.a. die „cross-sectoral“ Definition und Entwicklung des DPP, um ein einheitliches Produktdatenmodell zu entwickeln, das Daten zu Herkunft, Zusammensetzung und Recyclingfähigkeit im gesamten Produktlebenszyklus zugänglich macht. Die wichtigsten Ziele von CIRPASS I waren: 

  • Bereitstellung einer klaren und sektorübergreifenden Definition des DPP: Der Digitale Produktpass soll als Standard für eine Vielzahl von Sektoren dienen und so die Nachhaltigkeitsziele der EU stärken. 
  • Definition eines sektorübergreifenden Produktdatenmodells: Mit einem standardisierten Datenmodell schafft CIRPASS eine zentrale Grundlage für die Nutzung und Integration des DPP in verschiedenen Industrien, mit messbarem Nutzen für die Kreislaufwirtschaft. 
  • Entwicklung von Anwendungsfällen (Batterien, Elektrotechnik und Textilien), Empfehlungen und Roadmaps: CIRPASS untersuchte praktische Anwendungsfälle für DPPs und lieferte die Grundlagen für deren zukünftige Erprobung und den Einsatz sowie die Generierung von zirkulärem Geschäftswert. 
  • Entwicklung einer Roadmap zur DPPEinführung: Ableitung von Schritten sind zur EU-weiten Einführung von DPP und Identifikation von notwendigen Maßnahmen durch die EU-Politik. 

Diese umfassenden Ziele unterstreichen die Rolle von CIRPASS I, eine kohärente und praktikable Lösung für den Digitalen Produktpass zu entwickeln und die zirkuläre Wirtschaft Europas nachhaltig voranzutreiben. 

Unterschiede zu anderen Projekten und Initiativen im Bereich des Digitalen Produktpasses

Dr. Berg erklärte, dass CIRPASS I einen breiteren Ansatz verfolgte als andere Initiativen wie das Battery Pass Consortium, Catena-X und die Global Battery Alliance, die sich auf spezifische Branchen fokussieren. Das Battery Pass Consortium beispielsweise widmet sich primär der Interpretation und Umsetzung der europäischen Batterieverordnung, die 2023 formalisiert und veröffentlicht wurde. Es unterstützt dabei, die Komplexität der Verordnung zu entschlüsseln und Leitlinien zu entwickeln, die Unternehmen die Umsetzung und DPP-Einführung ermöglichen sollen. CIRPASS I ging hingegen einen sektorübergreifenden Weg und setzte neben Untersuchungen zu den genannten Sektoren auf eine universelle Anwendung des DPP, was Synergien und Wissensaustausch zwischen verschiedenen Industrien ermöglicht und somit zu einer stärkeren Vernetzung und Akzeptanz des DPP beiträgt. 

Die größten Herausforderungen bei der Umsetzung des Batteriepasses

Die Einführung des Batteriepasses birgt komplexe Herausforderungen, insbesondere was die Integration in bestehende industrielle Prozesse betrifft. Eine einheitliche Datenstruktur ist unabdingbar, damit Informationen über Materialzusammensetzungen und Recyclingoptionen lückenlos und zuverlässig dokumentiert werden können.

Der Digitale Produktpass soll zudem die Weitergabe von Daten und Informationen interoperabel gestalten, und die europäische Normung durch CEN/CENELEC im sogenannten JTC 24 spielt mit seinen Standards eine entscheidende Rolle bei der Überwindung dieser technischen Hürden.

Die Rolle des DPP im Kontext der EU-Kreislaufwirtschaftsziele und der europäischen Batterieverordnung

Der Digitale Produktpass ist ein zentraler Baustein, um die ehrgeizigen Kreislaufwirtschaftsziele der EU zu erreichen. Die europäische Batterieverordnung, die bereits formalisiert und veröffentlicht wurde, gibt konkrete Nachhaltigkeitsvorgaben für die Batteriebranche vor. Hierbei spielt der DPP eine entscheidende Rolle, um Rückverfolgbarkeit und Wiederverwertbarkeit von Ressourcen zu ermöglichen. Dr. Berg unterstrich zudem die Bedeutung der „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“ (ESPR), die das Design nachhaltiger Produkte fördert und so die Basis für Ressourcenschonung und Wiederverwendung schafft und auch das regulatorische Rahmenwerk für den DPP ist. 

Technologische Voraussetzungen und die Bedeutung eines offenen Technologiestandards

Dr. Berg betonte, dass der DPP durch innovative Technologien unterstützt werden könnte, die eine hohe Datensicherheit und Transparenz gewährleisten. Dennoch sei es wichtig, eine offene und flexible Lösung zu verfolgen und eine Abhängigkeit von einzelnen Anbietern zu vermeiden. Eine offene Technologie wie Open-Source-Software ermöglicht es verschiedenen Anbietern, ihre Systeme einzubinden, fördert Wettbewerb und erleichtert den technischen Fortschritt. 

Bildung und Sensibilisierung als Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung des DPP

Zum Abschluss des Gesprächs betonte Dr. Berg, dass die erfolgreiche Einführung des DPP neben technologischen Standards auch Bildung und Aufklärung über die Kreislaufwirtschaft und den Digitalen Produktpass erfordert. Viele Menschen wissen noch wenig über den DPP und dessen Potenzial für Nachhaltigkeit und Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Erfahrungen, die in Europa gesammelt werden, sollten auch international geteilt werden, um den DPP in anderen Branchen wie Textilien und Haushaltsgeräten einzuführen und so die Kreislaufwirtschaft auf eine breite Basis zu stellen.

Das CIRPASS-Projekt und seine Bedeutung für den TraWeBa Hub

Das CIRPASS I-Projekt ist für die Transformation der Batterie-Wertschöpfungskette von entscheidender Bedeutung, da es Transparenz und Nachverfolgbarkeit in allen Phasen des Lebenszyklus ermöglicht. Durch den Digitalen Batteriepass werden sämtliche R-Strategien wie Reuse, Repair, Remanufacture, Refurbish, Second-Life, Recovery, Redesign usw, unterstützt, was den nachhaltigen Einsatz von Ressourcen über die gesamte Kette hinweg fördert und den Übergang zur Kreislaufwirtschaft maßgeblich vorantreibt.

Das CIRPASS I-Projekt und der Austausch mit Dr. Berg verdeutlichen, dass der Digitale Produktpass eine entscheidende Rolle für die europäische Kreislaufwirtschaft spielt. Die Entwicklung sektorübergreifender Standards und Technologien, die nachhaltige und transparente Lieferketten fördern, bringt Europa seinem Ziel näher, die Kreislaufwirtschaft flächendeckend umzusetzen. Mit CIRPASS-II stehen neue Schritte bevor, die das Potenzial haben, das Projekt in weitere Industrien zu tragen und den DPP international zu etablieren.

Wir vom TraWeBa-Hub möchten uns bei Dr. Holger Berg herzlich dafür bedanken, dass er uns die Türen des Wuppertal Instituts geöffnet hat, und freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit.

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ETA steht in diesem Fall nicht für die erwartete Ankunftszeit eines Verkehrsmittels (engl. estimated time of arrival), sondern vielmehr für den Expertenkreis Transformation der Automobilwirtschaft im BMWK. Es ist ein unabhängiges Beratungsgremium, bestehend aus 13 Personen, das Bundesminister Habeck berufen hat. Dem ETA gehört als einziges ostdeutsches Mitglied Dr. Jens Katzek an, der als Geschäftsführer des ACOD und Projektleiter von TraWeBa fungiert. Am 29. November hat der ETA ein Positionspapier an BM Habeck übergeben, in dem rund 130 Handlungsempfehlungen formuliert sind. Reichlich spät könnte man meinen, aber genau dazu wollen wir uns mit Dr. Jens Katzek austauschen und Fragen stellen: