Herr Dr. Katzek, warum hat der ETA erst oder gerade jetzt ein solches wertvolles Positionspapier an den Bundesminister übergeben? Wir alle wissen doch, dass schon Anfang kommenden Jahres Neuwahlen anstehen. Ist das nicht viel zu spät?
Dr. Katzek: Ein solches Dokument beinhaltet keine kurzfristigen Themen und Maßnahmen, sondern ist in seiner Gesamtheit von über 40 Seiten eher langfristig angelegt. Das braucht eine tiefgründige Expertise und eben auch etwas Zeit. Die Inhalte selbst sind zu wichtig, als dass diese jetzt aufgeschoben werden dürften. Im Gegenteil, einige Themen müssen sehr schnell angegangen werden. Das duldet keinen Aufschub und wir gehen davon aus, dass dies nicht an Legislaturen oder politische Amtsträger gebunden sein wird. Die Inhalte gelten nicht für eine Person oder Partei, sondern sind elementar für Deutschland und damit für jede politische Regierung bedeutsam.
Wo sehen Sie konkrete Ansätze, die insbesondere für die ostdeutschen Automobilstandorte existenziell sind?
Dr. Katzek: Wir sehen mit großer Besorgnis die steigende Zurückhaltung beim Kauf von E-Fahrzeugen. Wir spüren die große Verunsicherung der Bevölkerung in der Energiepolitik, den Heizungsgesetzgebungen und bei den Lebenshaltungskosten. Das schlägt gerade jetzt beispielsweise bei Volkswagen heftig zu und führt zu noch mehr Kaufzurückhaltung. Und das könnte erst der Anfang sein. Was wir sehr schnell brauchen, ist politische Klarheit, sind Kaufanreize für e-Fahrzeuge und eine günstige bezahlbare Ladeinfrastruktur. Das ist sicher nicht neu, aber das muss jetzt und nicht erst nach den Neuwahlen angegangen werden, und zwar von allen politischen Verantwortlichen in Deutschland.
Heißt das nicht auch, dass wir den Abwanderungsprozess der Zulieferer stoppen müssen?
Dr. Katzek: Genau das! Unser großer Wettbewerbsvorteil in Ostdeutschland war und ist der breite Mittelstand in den KMUs, die mit exzellenter Fachkompetenz und kurzen Wegen die Automobilwirtschaft genauso geprägt haben, wie die renommierten OEMs.
Neben der Attraktivität der e-Fahrzeugnutzung muss unbedingt auch die Attraktivität des Investlandes Deutschland wieder verbessert werden. Gezielte Förderungen in neue Bereiche für alle Interessenten, unabhängig davon ob bereits Vorleistungen erbracht wurden oder nicht, und attraktive Produktionskosten sind dringend erforderlich.
Mit TraWeBa wurde ein Projekt initiiert und gefördert, das genau darauf abzielt. Die Batterie ist der Kompetenzträger der E-Fahrzeugflotte. Und diese Kompetenz braucht es auch zukünftig als Wettbewerbsvorteil in Deutschland. Wir sehen Sie hier die Situation in Ostdeutschland?
Dr. Katzek: Das ist eher komplex. Bei TraWeBa haben sind deutschlandweit viele unterschiedliche Akteure zusammengeschlossen. Wir können das nicht nur auf Ostdeutschland herunterbrechen. Aber: Gut, dass wir beispielsweise mit dem chinesischen Konzern CATL im thüringischen Arnstadt ein Unternehmen haben, das in diesen Prozess hervorragend einzahlt. Batteriezellen Made in Ostdeutschland klingt gut und unsere OEMs sind alle samt in den ostdeutschen Werken gut aufgestellt, haben die Transformation hervorragend gemeistert und könnten voll durchstarten, wäre da nicht der Markt. Und genau dieser schwächelt extrem stark.
Ich sehe auch die zwingende Notwendigkeit der Verstetigung des Projekts TraWeBa über Mitte 2025 hinaus. Es ist noch viel zu tun und ohne gesteuerte Vernetzung wird es schwierig werden. Das muss unabhängig von kommenden politischen Entscheidungen passieren. Daran arbeiten wir alle gemeinsam.
Kommen wir abschließend nochmals zurück auf das Positionspapier des ETA. Was sind die Kernelemente des Papiers?
Dr. Katzek: Die Automobilindustrie ist von herausragender Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Im Jahr 2023 erzielte sie einen Umsatz von 564 Milliarden Euro allein in der inländischen Produktion. 780.000 Menschen sind in Deutschland direkt in der Automobilindustrie beschäftigt. Die Branche investierte 2022 28,7 Milliarden Euro in interne Forschungs- und Entwicklungsarbeiten – das entspricht etwa 35 Prozent der internen F&E-Aufwendungen der gesamten deutschen Wirtschaft. Die Zulieferunternehmen sind ein wesentlicher Bestandteil der Automobilindustrie und vornehmlich mittelständisch geprägt. Die Transformation der Automobilindustrie in Deutschland ist in vollem Gange. Wir brauchen ein zukunftsweisendes Wirtschaftsklima in Deutschland, um es mit diesem Wortspiel zu umschreiben.
Konkret heißt das:
- Zügiger und konsequenter Bürokratieabbau ohne parallel gleich wieder neue Hürden aufzubauen
- Reform der Förderpolitik mit viel stärkerer Fokussierung auf die Wirtschaft und Zukunftstechnologien
- Kalkulierbare und für die Wirtschaft bezahlbare Energiepolitik inkl. der Investitionen in die Netzinfrastruktur
- Transformationsorientierte Schaffung von Marktanreizen für Zukunftstehemen wie beispielsweise die e-Mobilität
- Und auch wenn es keiner mehr hören kann, wir müssen weiter intensiv in unsere Belegschaften investieren. Gute Bildung ist ein echter Wettbewerbsvorteil.