Evolution vs. Revolution der Batterie? Interview mit Dr. Kai-Christian Möller
Dr. Kai-Christian Möller ist stellvertretender Sprecher der „Fraunhofer-Allianz Batterien“ und fordert im nachfolgenden Interview mehr Kontinuität in der Förderung, der Forschung, der Entwicklung sowie in der Produktion von Batterien in Deutschland. Die E-Mobilität muss wieder attraktiv werden. Deutschland kann mithalten, aber Stillstand und Unsicherheit werfen uns um Jahre zurück.
Herr Dr. Möller, Sie sind als promovierter Elektrochemiker so etwas wie jemand, der den Stein der Weisen in Bezug auf die Batterietechnik von heute und morgen kennen müsste. Wenn Sie an Zellforschung und Zellentwicklung denken, wo ordnen Sie aktuell unsere Situation in Deutschland ein? Haben wir den Anschluss verpasst?
Um es klar zu sagen: Das haben wir nicht. Aber das Tempo, mit dem sich die internationalen Top-Playern bewegen, wird zunehmend größer, und wir müssen höllisch aufpassen, dass wir auch dranbleiben. Es ist uns in Deutschland schon gelungen, das Thema in den Fokus zu rücken, allerdings leider nicht mit der notwendigen Kontinuität. Der Ansatz, Batteriechemie und die Entwicklung eigener Fahrzeugarchitekturen für BEVs zu entwickeln, war vollkommen richtig. Denken Sie an die Zellforschung in Kamenz bei Dresden. Hier wurden neuartige Zellen und Packs für den Smart entwickelt und gebaut. Aber es war noch zu früh und es wurde wieder damit aufgehört. Jetzt haben beispielsweise BMW, Mercedes-Benz und auch VW erste Pilotlinien aufgebaut. Wir sind in Deutschland noch dran. Das muss allerdings sehr kontinuierlich und mit höchster Aufmerksamkeit der Politik so fortgesetzt werden.
Wie beurteilen Sie die Bedeutung und die Chancen des Batterierecycling? Ist der Hype um dieses Thema nur ein Trend, den viele für sich als Möglichkeit nutzen wollen?
Da stehen die Rohstoffkreisläufe in Europa ganz vorn an. Das führt am Ende zu mehr Unabhängigkeit von globalen Akteuren und hilft dabei, die volatilen Märkte im Rohstoffsektor für den Fahrzeugbau beherrschbarer zu machen. Die Batterien aus den ersten Generationen von E-Autos gehen nun ins Recycling. Wenn wir davon ausgehen, dass eine Batterie vielleicht rund 8 Jahre im Einsatz sein wird und dann eventuell über einen zweiten Lebensweg gehen kann, können wir in rund 8-10 Jahren mit dem Batterie-Recycling – einem völlig neuen Wirtschaftszweig – der dann auch international an Bedeutung gewinnt, so richtig durchstarten. Aber: Wir müssen jetzt damit beginnen, die Prozesse zu studieren, Erfahrungen zu sammeln und Personal zu qualifizieren. Dann werden wir bereit sein. Hier muss auch die Politik mitmachen und die Rahmenbedingungen in Deutschland dafür bereiten.
Es ist also noch nichts verloren?
Ja, das sage ich. Wir können das noch hinbekommen. Das braucht jeden Tag Zeit, Geld, Know-how und eben auch die Leute, die das können. Die ersten Lehrstühle dazu gibt es zwar erst seit gut 15 Jahren. Aber: Wir können exzellente Autos bauen. Leider können wir bis dato keine preiswerte Energie … schade. Die neue Bundesregierung sollte sich das ganz oben auf die To-do-Liste schreiben.
Unsere OEMs haben es sehr früh erkannt und sind mit Joint Ventures nach China gegangen. Ohne diese Weitsicht wären einige unserer Vorzeigeunternehmen wahrscheinlich heute nicht mehr am Markt. Halten Sie es für einen richtigen Weg, dass wir uns heute wieder Joint-Venture-Partner suchen, und gemeinsam die Batterie-Entwicklung und -produktion nach Deutschland holen.
Das halte ich tatsächlich für den schnellsten und elegantesten Weg. Ich denke da beispielsweise an CATL. Das kann ein Durchbruch werden, und wenn wir wieder ganz vorne mitspielen wollen, brauchen wir gute Partner an unserer Seite. Gemeinsam ist man auch hier stärker. So könnten wir auf bereits vorhandene Forschungsergebnisse zurückgreifen und diese für den Automobilstandort Deutschland nutzen. Im Alleingang wird es kompliziert. Die ganze Welt ist an dem Thema dran. Wir müssen zwingend dabei sein.
Uns drängt sich an dieser Stelle eine heikle Frage auf. Haben wir eventuell in Deutschland schon etwas im Köcher, auf das wir in puncto Batteriechemie oder Batterietechnologie aufbauen können und das uns einen Wettbewerbsvorteil versprechen könnte – so etwas wie den Stein der Weisen?
Das wäre wirklich super, aber nein, wir haben kein Alleinstellungsmerkmal zum internationalen Markt. Einen Gamechanger sehe ich tatsächlich nicht. Die Lithium-Ionen-Batterien werden uns noch viele Jahre begleiten. Diese Technik ist deutlich weiterentwickelt worden. Auch die Produktionstechnik ist gut entwickelt. Trotzdem sehe ich bei diesem Batterietyp noch erhebliches Potenzial. Die Nachteile bei den Materialien und bei der Sicherheit müssen weiter reduziert werden. Inwiefern und wann andere Batterietypen wie Natrium- oder Festkörper-Batterien sich durchsetzen können, ist noch offen. Die Forschung läuft dazu weltweit. Aber auch dort stehen den einleuchtenden Vorteilen bei Kosten bzw. Energiedichte und Sicherheit, Dinge wie Materialverfügbarkeit und Langlebigkeit gegenüber. Das ist ein offenes Rennen und hier sehe ich die deutsche Forschungslandschaft insgesamt auf einem guten Weg.
Herr Dr. Möller, Sie sind seit über 30 Jahren Diplom-Chemiker, haben bereits 1992 erste wertvolle Erfahrungen mit der Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterien im Labor gesammelt, haben in der Elektrochemie in Münster promoviert, sind über die Forschung und berufliche Schritte in Graz und Würzburg bis in die Fraunhofer-Zentrale nach München gekommen. Batteriechemiker werden wie die berühmte Nadel im Heuhaufen gesucht und sehr geschätzt. Wenn wir Sie jetzt nach den zwingenden Schritten für die deutsche Batterie-Entwicklung und -produktion fragen, was fällt Ihnen da sofort ins Auge?
Wir müssen uns die Kontinuität bewahren. Unbedachte Beendigungen von Förderprogrammen oder der ständige Wechsel in der Themenlandschaft werfen uns um Jahre oder Jahrzehnte zurück. Das haben wir nicht nötig. Die Ansätze sind gut. Darauf lässt sich aufbauen. Allein schaffen wir das allerdings nicht. Wir brauchen verlässliche politische und finanzielle Rahmenbedingungen für eine thematisch breite, aber anwendungsorientierte Forschung entlang der ganzen Wertschöpfungskette.
Wir brauchen einen sich gut entwickelnden E-Mobilitäts-Markt. Was das unangekündigte Aus der Förderung der Bundesregierung bewirkt hat, sehen wir inzwischen alle. Verunsicherung bei den Kunden bremst die Transformation, die unglaubliches Potenzial besitzt. Die Folge sind stagnierende Märkte, stagnierende Entwicklung und am Ende der Verlust von sehr wertvollen Wettbewerbsvorteilen. Schauen Sie nach Norwegen: Kontinuierliche Förderung der E-Mobilität führt zu über 95 % Kaufentscheidung bei E-Fahrzeugen. Davon können wir noch nicht einmal träumen.
Ganz deutlich: Nicht bremsen, sondern Vollgas geben, oder besser Schnellladen statt Slow-Motion.
Das TraWeBa-Team bedankt sich für die offenen Worte. Das war bestimmt nicht das letzte Gespräch dazu mit Ihnen. Für die weitere Forschung und die Schaffung von tragfähigen Verbindungen zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Entwicklungspartnern setzen wir auf die Fraunhofer-Allianz Batterie und auf Ihre Expertise.
Produktionshochlauf und Batterierecycling: Forschungstrends für Entscheider
Im TraWeBa Summary Briefing Q1/2025 stehen Batterierecycling und der Ramp-Up in der Batteriezellproduktion im Fokus. Zusätzlich beleuchten die Fraunhofer Institute Innovationen wie die Natrium-Ionen-Batterie, Second-Life-Konzepte, Fortschritte bei Festkörperbatterien sowie den Einsatz digitaler Zwillinge. Ingenieure erhalten aktuelle Trends und Strategien, um neue Produkte effizienter zu entwickeln und Produktionsprozesse nachhaltig zu skalieren.
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Batterierecycling – Hype oder Hoffnung? Interview mit Christian Landvogt
Um zu untermauern, welche Chancen dies bietet und wie Batterierecycling funktionieren kann, haben wir mit Christian Landvogt, Geschäftsführer der GIV Leipzig GmbH, gesprochen, einem Unternehmen der mittelständischen WILLERSINN Gruppe aus Heßheim. Die GIV Leipzig GmbH verfügt bereits über langjährige Erfahrung in den Bereichen Umwelttechnologie, Recycling und bei der Entwicklung von Verwertungsprozessen - bisher hauptsächlich auf dem Gebiet der Gasflaschenentsorgung aber mit Ambitionen für weit mehr. Mit rund 650 Mitarbeitenden an 14 Standorten in Deutschland ist die WILLERSINN Gruppe seit über 50 Jahren aktiv. Die Süd-Müll betreibt am Standort in Heßheim bereits erfolgreich eine der ersten Discharging und Dismantling Anlagen in Deutschland.