Interview mit Prof. Maximilian Fichtner

Über die Zukunft der Batterie und die Rolle von Deutschland in der Entwicklung

Die elektrochemische Energiespeicherung ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Im Jahr 2018 hat das Center for Electrochemical Energy Storage Ulm & Karlsruhe (CELEST), eine der ambitioniertesten Forschungsplattformen in diesem Bereich weltweit, ihren Betrieb aufgenommen. Es verbindet anwendungsorientierte Grundlagenforschung mit praxisnaher Entwicklung und innovativen Produktionstechnologien. Das nehmen wir zum Anlass, mit Prof. Dr. Maximilian Fichtner, Direktor von CELEST und Sprecher des Exzellenzclusters POLiS, über das Thema Zellchemie und den denkbaren Paradigmenwechsel zu sprechen.

Prof. Fichtner, was genau bedeutet CELEST und worin liegt der Nutzen?

Kurz gesagt sind es drei starke Partner, die ihre Kräfte und Kompetenzen bündeln. CELEST bündelt das Know-how von 31 Instituten seiner Partnerinstitutionen: dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der Universität Ulm und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).

CELEST wirkt an der Schnittstelle zwischen den Partnern und zu externen Einrichtungen und Ministerien. Weiter ist es Teil des Lenkungskreises eines europäischen Flaggschiffs zur Batterieforschung, koordiniert eine der europaweit größten Graduiertenschulen und betreibt mehrere Podcasts, darunter den Nr. 1 Podcast zur Energiespeicherung „Geladen“.

Sie sind Chemiker und seit 2013 Professor für Festkörperchemie an der Universität Ulm. Außerdem sind sie geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung (HIU). Was macht die Batteriechemie aus Ihrer Sicht so besonders?

Die Batteriechemie ist ein wesentlicher Schlüssel für den Erfolg der Batterien am Markt. Von der Chemie in den Elektroden und den Elektrolyten wird die Speicherkapazität, die Sicherheit, die Be- und Entladegeschwindigkeit und schließlich auch der Preis der Batterie maßgeblich bestimmt. Der Rest ist Maschinenbau, Elektronik und Fertigungstechnik. Die Batteriechemie ist am Ende die Seele der Batterie.

Die Batterieforschung in Deutschland ist auf einem guten Weg, das Tempo reicht aber noch nicht und wir müssen unsere Ressourcen durch gute Zusammenarbeit bündeln. Wir haben eine sehr gute Position im internationalen Vergleich.

Welche Materialklassen sehen Sie aktuell als die vielversprechendsten Kandidaten für post-Lithium-Systeme, sowohl aus Leistungs- als auch aus Rohstoffverfügbarkeitsgründen?

Lithium-Ionen-Batterien sind zwar weit verbreitet, aber deren Speicherkapazität ist am Ende auch begrenzt. In Zukunft werden vor allem für die Elektromobilität und für portable Anwendungen Batterien mit hoher Energiedichte gefragt sein, die auch modernen Nachhaltigkeitsanforderungen genügen. Beispiele hierfür sind aktuell z.B. die Na-Ionen, die Calcium- oder die Chlorid-Ionen-Batterie, die alle solcherlei Potential bieten.

Darüber hinaus wird derzeit an Magnesium-Batterien geforscht, die ebenfalls vergleichsweise hohe Energiedichten aufweisen. Lithium ist teuer und auch wenn wir uns beispielsweise in Sachsen wieder mit der Förderung von Lithium beschäftigen, Natrium, Magnesium, Calcium und Chloride würden das Rohstoffthema auch im Sinne geostrategischer Unabhängigkeiten deutlich entspannen.

Wie bewerten Sie Magnesium-, Natrium- oder Calcium-basierte Batterien hinsichtlich ihrer praktischen Realisierbarkeit in den nächsten zehn Jahren?

Für mich sind das Kandidaten, die mittelfristig durchaus hohes Potential besitzen. Serienreife weisen bisher die Natrium-Ionenbatterien auf, bis zur Serienreife der weiteren Kandidaten wird sicher noch etwas Zeit vergehen und bis zu einer echten Zukunftstechnologie wären diese Batterien ein echter Fortschritt und Hinzugewinn, den auch die Erbauer von Stationärspeichern und Fahrzeugkunden zu schätzen wüssten.

Welche Rolle spielt die Rückgewinnung kritischer Rohstoffe (Recycling) bei der Etablierung von alternativer Zellchemie?

Das Batterierecycling ist in aller Munde und weltweit beschäftigt dieses Thema Wissenschaftler, Automobilbauer und natürlich auch Kunden. Der Wert der Batterie, auch im nicht mehr für das Auto nutzbarem Zustand, ist eminent wichtig für das Kaufverhalten und gleichsam bedeutsam für eine ganz neue Branche. Bevor wir aber über das Recycling, also die Rückgewinnung von Rohstoffen sprechen, kommt erst noch die Phase der Zweit- bzw. Drittnutzung der Fahrzeugbatterien in externen Speichersystemen usw. Die Masse der Batterien wird voraussichtlich Mitte ab der 2030er Jahre dem Recycling zugeführt werden. Derzeit werden verschiedene Verfahren entwickelt, um einen möglichst vollständigen Recyclinggrad zu erreichen. Es wird also noch einige Zeit vergehen, bevor sich das Recycling im großen Maßstab als Business Case tatsächlich etabliert. Aber nehmen wir hier mal Deutschland – ein Land mit wenigen Rohstoffreserven, dann wird schnell klar, dass die Rückgewinnung von solchen Wertstoffen für die Volkswirtschaft eine enorme Bedeutung gewinnen wird.

Sehen Sie eine realistische Chance, nachhaltige Batteriesysteme im großtechnischen Maßstab wirtschaftlich zu realisieren?

Wir sind auf einem guten Weg. Und – es wird uns gar nichts anderes übrigbleiben. Die Entwicklungsgeschwindigkeit für neue Batteriechemien und -techniken übertrifft die der Motorenentwicklung deutlich. Der E-Antrieb in Fahrzeugen ist eine feine saubere und effiziente Lösung, die auch noch richtig Spaß macht. Die Energiespeicherung ist der Stein der Weisen für die Zukunft des Automobils weltweit.

Was sollte die deutsche oder europäische Industrie strategisch tun, um bei Batteriematerialien und -technologien unabhängiger von Asien zu werden?

Ich weiß nicht, ob Unabhängigkeit das richtige Wort ist. Die Globalisierung erfordert hier ein Umdenken. Know-how ist sicher wichtig, aber dessen Nutzung kann bei multinationalen Konzernen durchaus auch partnerschaftlich erfolgen. Die Weltbevölkerung wächst, die Materialreserven gehen aber zurück. Keiner kann allein überleben oder dominieren. Wir tun gut daran, gemeinsam mit den führenden Unternehmen und Ländern an der besten Lösung für das Energie- und Klima-Thema heranzugehen. Für uns Deutsche oder Europäer steht verständlich viel auf dem Spiel, aber wir können das packen. Wichtig ist, dass wir uns zusammenschließen und auch internationale Joint Ventures entwickeln und nutzen. Man könnte sich auch eine europäische Lösung vorstellen, ähnlich wie man das beim sehr erfolgreichen Airbus-Modell gemacht hat.

Wie beurteilen Sie die Chancen Europas, in der Forschung zu neuen Systemen technologisch weiter zu den führenden Regionen zu gehören?

Ich denke Gute. Wir sind hier wirklich tatkräftig und auch erfolgreich unterwegs. Unsere Arbeitsgruppen am HIU beispielsweise leisten in POLiS, in nationalen und europäischen Projekten zu diversen Forschungsfeldern wertvolle Beiträge. So zum Beispiel bei Na-Ionenbatterien. Hier entwickeln wir zyklenfeste Kathodenmaterialien auf der Basis von Schichtoxiden sowie neuartige, ionenleitende und wasserlösliche anorganische Bindematerialien. Im Bereich multivalente Systeme wie Mg- und Ca-Batterien entwickeln wir neue Elektrolyte mit hoher ionischer Leitfähigkeit und Stabilität sowie Kathoden auf der Basis organischer Materialien und Schwefelkathoden. Ein anderes Forschungsfeld sind neue hochleistungsfähige Anoden, insbesondere bei Ca-Batterien sowie Schutzschichten und Gel-Polymerelektrolyten. Im Forschungsfeld Anionische Systeme erweitern wir den Werkzeugkasten durch die Entwicklung neuer Kathoden- und Anodenmaterialien sowie von Festkörperelektrolyten. Wie schon gesagt: Die Forschung ist da auf einem guten Weg.

Welcher Paradigmenwechsel könnte die Batterieforschung ähnlich disruptiv verändern wie die Einführung von Lithium-Ionen-Zellen in den 90ern?

Ich weiß nicht, ob es den einen gibt. Wir müssen auf allen Gebieten: der Elektromobilität, der Nachhaltigkeit, der stationären Speicherung, der Entwicklung und Nutzung künstlicher Intelligenz und besonders auf dem Gebiet der Sicherheit konzentriert weiterarbeiten. Schließlich stehen am Ende immer die Sicherheit, die Machbarkeit und die Kosteneffizienz ganz oben an. Ich denke hier nicht an ein Wunder oder eine Einzelerfindung. 

Welche Synergien sehen Sie einer vertieften Zusammenarbeit zwischen CELEST und TraWeBa?

Jede Zusammenarbeit birgt Synergien in sich. Ein Netzwerk wie TraWeBa und eine Forschungsplattform wie CELEST ergänzen sich in vielen Dingen. Der schnelle Austausch von Wissen, von möglichen Akteuren, die Orientierung durch die OEMs und die Verbindung zu den klein- und mittelständischen Unternehmen sind für uns Forscher unabdingbar wertvoll wie wichtig.

Wie sehen Sie die Chancen für eine tatsächlich praxisnahe Entwicklung von Batterie-Produktionstechnik?

Wir haben in Deutschland eine sehr gut entwickelte Produktionstechnikbranche. Maschinen- und Anlagenbauer werden weltweit geschätzt. Und wir sind bei der Forschung ein international geachteter Player. Mit unseren agilen Netzwerken haben wir das Werkzeug in der Hand, beides von Anfang an zusammenzubringen und damit eine exzellente praxisnahe Produktionstechnik für die Zukunftsthemen anzugehen. Wer, wenn nicht wir!? 

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